Was für eine geschichts- und sagenträchtige Ecke die Gegend rund um die Burg Altendorf ist! Landschaft und Bergbau hinterließen bei den Anwohnern in Essen Burgaltendorf prägende Eindrücke, die der Heimat- und Burgverein Burgaltendorf e.V. gerne mit interessierten Besuchern auf der “Sagen und Glühwein”-Tour teilt.
Am 15. Februar 2025 führte Rolf Siepmann, Vorsitzender des Burgaltendorfers Heimat- und Burgvereins (HBV), die bestimmt gut 70 Besucher durch das abendliche Burgaltendorf und das umgebende Ruhrtal. Lt. seiner kurzen Befragung vor Ort waren übrigens weniger als 5 “Wiederholungstäter” – also früher schon mal dabei, was Hrn. Siepmann sichtlich erfreute. Auf der gut anderthalbstündigen Tour in der Dämmerung ging es nicht nur um die namensgebenden Sagen, also Geschichten mit einem konkreten Ort – im Unterschied zu frei erfundenen Märchen. Siepmann ließ auch geschickt die hiesige Geschichte einfließen, wann immer wir an bedeutsamen Orten vorbeiliefen!
So erfuhr unsere Gruppe bereits unweit der Burg vom Einwohneranstieg Burgaltendorfs auf über 3.000 Anfang des 20. Jahrhunderts – was darin resultierte, dass dringend Straßennamen um 1911 eingeführt werden mussten. Noch heute sieht man an einem Haus die bis dahin ausreichende, alte Dorfnummer 318 und die noch heute gültige Hausnummer 14 entsprechend der Straßennamen.

Weiter ging es auf dem Weg, auf dem wohl “einst schon die Ritter der Burg Altendorf zum Schloss Horst unterwegs waren”. Hier am Hellensiepen (ein Siepen, so erfuhren wir, ist ein kleines Tal mit einer kleinen Köttelbecke) gab es gleich mehrere Geschichten. So ist der Hellen- oder auch Hollsiepen nach Frau Holle benannt, die neben ihrer Rolle als Schutzmutter für Haushalte und Spinnerinnen auch Herrin der Hausgeister ist. Jene Hausgeister wohnten der Legende nach eben im Hellenbusch – dem Holunderbusch – neben jedem Haus. Für Schnaps und Heilkräuter durfte man den Holunderbusch dann übrigens nur nutzen, wenn man vorher den darin wohnenden Hausgeist angemessen besprach, vorsichtig vom Busch schüttelte und ein Opfer darbrachte – etwa ein Glas Bier über den Busch. Habt Ihr auch einen Holunderbusch am Haus? Dann schaut besser das nächste Mal nach, ob da nicht ein Hausgeist drin wohnt!
Auch der lt. Siepmann wohl prominenteste Burgaltendorfer – Heinrich Kämpchen (1847-1912) – hat hier einst sein Tagewerk als Arbeiter- und Heimatdichter begonnen. Kritisch gegenüber den Bergwerkseigentümern, hat Kämpchen auch für Frauenemanzipation und Bildung für Frauen gekämpft, was er mit Jobverlust und Armut bezahlte. Nach dem einen oder anderen Scherbenstück am Wegesrand – hier oben auf den Feldern liegt der Schutt, der nach dem 2. Weltkrieg aus Essen hergekarrt wurde – geht’s für uns mit den Sagen weiter. So kam in der Sage vom Wichtelbusch die eine oder andere hilfreiche Hand aus dem gleichnamigen Busch, und reparierte über Nacht das zerborstene Steckenpferdchen des kleinen Ludwig, welches dieser erschreckt liegen ließ, und Püppchen und Springseil seiner kleinen Schwester Sophie. Als dann auch noch die verbogene Schaufel des Knechts gerichtet wurde, platzte dem hiesigen Hofherrn wohl der Kragen – und er hielt dem zuständigen Bergwerkseigentümer lauthals die ungenehmigte Errichtung eines Wetterschachts vor…


Ein Zwischenstopp im Industriegebiet Burgaltendorf bringt uns zu einem kurzen geschichtlichen Ausflug in die verwirrende Zeit nach Ende des zweiten Weltkriegs. Noch heute gibt es die Glocke im Heimatmuseum zu sehen, welche einst im Dorf kräftig und oft mit der Suppenkelle geläutet wurde. Nämlich immer dann, wenn der Hunger die sich selbst überlassenen, befreiten Kriegsgefangenen aus gleich 5 hiesigen Lagern (hier waren russische, französische und polnische Kriegsgefangene stationiert) gen Dorf trieb.
Letzter Stopp im Wilden Westen! Oder fast – hier gab es nämlich wie im Wilden Westen, so erklärt es Siepmann, einst rivalisierende Eisenbahnbaufirmen, die kräftig im Schienenlegen für Zechen & Co wetteiferten. Die Linien der Rheinischen Eisenbahngesellschaft (Verbindung Mülheim-Heißen <> Altendorf) und der Bergisch-Märkischen Eisenbahngesellschaft kreuzten sich hier. 1874 wurden so die Strecken für den Güterverkehr, 1879 für den Personenverkehr geöffnet. Der alte Bahnhof “Altendorf Ruhr” kündet noch heute davon, auch wenn er schon lange nicht mehr in Betrieb ist.



Mit der letzten Sage im Dämmerlicht werden wir noch einmal in eine usselige, neblige Nacht entführt – wenn die kleine Katharina, Enkelin des Bahnwärters Josef, nach einem regenumtosten Tag in der dunklen Nacht mit der Fee Fefili die Schienen entlang läuft, ihre Laterne des darin befindliche Kerzenlichts verlustig geht und das Mädchen dann an einem vom andauernden Regen gelösten, über die Schienen gefallenen Baumstamm einschläft, fürchten wir alle schon das Schlimmste! Aber der nahende Kohlezug sieht im dichten Nebel ein geheimnisvolles Licht und bremst noch rechtzeitig – das rettet den Zug vor einem großen Unglück.
Das Licht in der Laterne, ja, das wird wohl die Fee gewesen sein, so erzählten es sich später noch die Tochter der kleinen Katharina, und dann deren Tocher – die es just letzte Woche persönlich noch dem Rolf Siepmann erzählt hat. Ganz wirklich!



Die lebendige und begeisternde Tour beenden wir an der Burg, wo die hilfreichen “Burgfrauen” des Vereins bereits mit heißem Kinderpunsch und Glühwein auf uns warten. Gerne werfen wir für die ansonsten kostenfreie Tour eine Spende in die dort stehende Box.
Die Sagenwanderung ist übrigens immer die erste Wanderung des Vereins zu Jahresbeginn, eine tolle Tradition! Vielen Dank an Rolf Siepmann und alle Beteiligten, es hat wirklich Spaß gemacht!
Die Sagenwanderung Burgaltendorf erhält von mir volle drei von drei Schachtzeichen:
