
Quer durch das Ruhrgebiet fließt – neben Lippe und namensgebender Ruhr – auch die Emscher. Sie hatte weniger Glück als die vorgenannten Flusskollegen und durfte in der Blütezeit von Kohlebergbau und Stahlherstellung nur mehr lecker riechende Abwässer aufnehmen: die Emscher hatte im wahrsten Sinne des Wortes die Arschkarte gezogen! Heute ist und wird sie jedoch in großen Teilen renaturiert. Die Emscher ist seit einigen Jahren zentraler Bestandteil des Emscher Landschaftsparks, der viele Parks, Wege und Landmarken im Ruhrgebiet umfasst. Auf eine Tagesreise durch diesen sehenswerten Teil des Ruhrpotts möchte ich Euch mitnehmen.
Offenlegung: der vorliegende Beitrag entstand auf Einladung des Regionalverbandes Ruhr/RVR und des Emscher Landschaftsparks am 29.10.2016. Credits am Ende. Meinungen und Eindrücke bleiben meine eigenen.
Inhalt:
- Gehölzgarten und Haus Ripshorst, Oberhausen (Station 1)
- Nordsternpark, Gelsenkirchen (Station 2)
- Zeche Ewald und Halde Hoheward, Herten (Station 3)
- Ökologische Station des Kreises Unna mit dem 22. Apfelfest, Bergkamen-Heil (Station 4)
- Der Regionalverband Ruhr und die Ruhrblogger
Die Zahlen in Klammern sind als Stationen in obiger Übersichtskarte markiert.
Gehölzgarten und Haus Ripshorst, Oberhausen (1)
Wir beginnen frühmorgens im Gehölzgarten Ripshorst. Die Zeiten, in denen Hausbesetzer um die ehemaligen Zechensiedlungen kämpften, sind vorbei. “Riveto” (in Anlehnung an die Soweto-Townships) oder auch “Die Ripse” bilden nun das Eingangstor zu einem Tertiärwald – im Gehölzgarten finden viele Arten der ursprünglichen Vegetation aus der Vorvorvorzeit des Ruhrgebiets ein neues Zuhause. Eine Ansammlung von Gingko- und Mammutbäumen begrüßt uns im nebligen Morgenlicht.

Ehemalige Reserve- und Sperrflächen der hiesigen Zechen wurden im Rahmen der IBA Emscher Park (Internationale Bauausstellung 1999) in Wald- und Parkgebiet umgewandelt. Hier findet der geneigte Besucher nun Erholung und auch das eine oder andere Kunstobjekt.

Mitten im Nebel taucht so auf einmal der Zauberlehrling auf. Er ist Relikt der Emscherkunst – im Rahmen des Kulturhauptstadtjahres 2010 wurden temporäre und dauerhafte Kunstwerke im ganzen Emschereinzugsgebiet geschaffen. Die Emscherkunst gibt sich seitdem alle drei Jahre wieder ein Stelldichein. Überhaupt hat die IBA Emscher Park wohl vieles erst in Richtung Kulturhauptstadtjahr und genereller Erhöhung der Lebensqualität im Ruhrgebiet angestoßen.
So sind auch die Renaturierung und Aufbereitung der Emscher und ihrer Zuflüsse ein Teilerfolg der IBA Emscher Park. An Läppkes Mühlenbach als Emscher-Zufluss wurde schon früh damit begonnen. Die Arbeiten dauern derweil immer noch an, wird doch vieles z.B. auch im laufenden Betrieb der nahen Bahnstrecke durchgeführt.



Am Rhein-Herne-Kanal (Kanal-Kilometer 11.400) lünkern wir kurz mal über die dort befindliche, geschwungene Brücke, entworfen von Prof. Dr. Ing. Schlaich, Stuttgart, und Dr. Pelle, Dortmund. Schließlich sollen die Bauwerke hier außergewöhnlich sein und Besucher anlocken. Allerdings fasziniert mich hier gerade der Nebel am Kanal mehr, gebe ich zu. :-)
Ein paar Meter weiter liegt Haus Ripshorst.

Haus Ripshorst ist ein ehemaliger Rittersitz, war mal Bauernhof, mal Mautstelle, und auch schon den Fürstäbtissinen Essen zugehörig. Hier wird als Informations- und Veranstaltungsort des RVR ein eigenes Seminarprogramm mit der biologischen Station geboten.


Es gibt eine tolle Installation auf dem Boden am Eingang: eine interaktive Landkarte blendet kurze Filme und Informationen über den Besucherköpfen ein, wenn man unten auf einen der markierten Bereiche tritt.
Wer ab und an ein Auge auf den Fußboden hat, wird dort aber noch mehr entdecken…

Im ganzen Ruhrgebiet hat der RVR viele stillgelegte Bahntrassen erworben, und so lockt jetzt ein Fahrradnetz mit 700km Strecke im Einzugsgebiet Radler zur Erkundung. Unter anderem findet sich am Haus Ripshorst daher auch eine Fahrrad-Verleihstation.

Wer möchte kann sich aber auch sein Picknick mitbringen und im Außenbereich verzehren.

Wir machen uns nun weiter auf den Weg – auf einer der zahlreichen, das Ruhrgebiet durchziehenden Autobahnen. Es geht nach Gelsenkirchen.

Während wir gen Gelsenkirchen cruisen, gibt’s im Exkurs ein bißchen was zur Fuppes-Historie: in Essen Karnap fand das erste Frauenländerspiel gegen die Niederlande statt. Das war 1956 und illegal – der DFB hat erst viel später den Frauenfußball legitimiert. Entsprechend antiquiert wirkt es für uns auch heute, dass eine Zeitlang für die Fußballdamen bei Gewinn von Spielen kein Geld gab, sondern… ein Kaffeeservice! Und weil mehr Wissen immer geht, gleich noch was hinterher: die Cranger Kirmes in Herne geht auf einen Pferdemarkt im Emscherbruch zurück: dort wurden weiland Wildpferde (ähnlich wie die in Dülmen) verhökert.
Nordsternpark, Gelsenkirchen (2)
Im Nordsternpark in Gelsenkirchen gibt’s ordentlich was für Augen und Füße. Mehrere Brücken führen über den Rhein-Herne-Kanal und die Emscher. Dass übrigens erst heute viele Kanäle und Wasserführungen unter die Erde kommen, hat seine Gründe im Bergbau. Während des aktiven Abbaus der Steinkohle gab es immer unvorhersehbare Senkungen, und so mussten notgedrungen die Läufe oberirdisch erfolgen. Im Laufe der Jahre gab es so regional Senkungen von bis zu 20m – das ist ganz schön viel, oder? Als Ergebnis findet Ihr heute viele Wasserwege deutlich erhöht über dem normalen Gelände, notgedrungen wurden sie eingespundet (mit Wänden eingekesselt) und in Dämme eingefasst. Das Gefälle musste ja beibehalten werden, also ist der Wasserspiegel schön auf dem alten Niveau geblieben, nöch?






Auf dem weitläufigen Gelände haben die Azubis der Zeche Hugo/Consolidation vor Jahren einen Besucherstollen gebaut. Wenn Ihr auf den Hübbel darüber klettert, gibt’s zur Belohnung eine tolle Weitsicht. Der Hübbel ist übrigens ein Rest von der ehemaligen Halde hier am Ort.



Eine Bundesgartenschau hat das heutige Nordsternpark-Gelände in die bekannten Formen verwandelt. Seit einiger Zeit thront auf dem extra erhöhten Erschließungsturm eine Herkules-Statue. Der Herkules (mit nem abben Arm) zeigt mit den Pobacken nach Essen – ob das was zu bedeuten hat? :D Immerhin: der Typ mit dem blauen Bart bringt 23 Tonnen auf die Waage und ist schlappe 18 Meter hoch. Geschaffen wurde er von Markus Lüpertz, der dem Ruhrgebiet noch weitere, durchaus umstrittene Skulpturen beschert hat.


Wunderbar: hier im Nordsternpark sind jedes Jahr zur Extraschicht auch einige Schachtzeichen am Start, von denen ich ja selbst 2010 eines betreut habe. Und ein witziges Detailerlebnis hatte ich auch noch: weil das Ruhrgebiet ja auch nur ein Dorf ist, treffe ich hier im Park unverhofft auf Seggy – der grad einer seiner Segway-Touren vorandüst…
Apropos Düsen: wir düsen weiter nach Herten, gen Halde Hoheward und der dort befindlichen Zeche Ewald.
Zeche Ewald und Halde Hoheward, Herten (3)
Am Rande der Halde Hoheward in Herten hatte das Restaurant “Am Handweiser” ein glückliches Händchen und ist nun Ausgangs- und Ruhepunkt für viele Haldenbummler. Die Speisekarte zeigt liebevolle hiesige Gerichte, ich wählte für mich diese “Bottroper Schlemmerplatte” mit 200g Currywurst :P – lecker!

Während wir noch auf den Parkplatz der Zeche Ewald zusteuern, erhasche ich einen Blick auf einen der Aussichtsbalkons der Halde Hoheward. Eine sogenannte Balkonpromenade erlaubt auch in der dichtbelaubten Sommersaison einen Blick auf die Umgebung.


Auf Zeche Ewald werfen wir einen Blick in die unter Denkmalschutz stehende, wunderschöne Lohnhalle. Die ehemalige Zeche beherbergt nun eine Veranstaltungshalle, einige Firmen und ein kleines Touristenbüro für z.B. Segwaytouren in die Umgebung.

Und dann dürfen wir tatsächlich in einen Bereich, der für den regulären Publikumsverkehr leider nicht geöffnet ist. Hier gehen uns Ruhris die Herzen auf: die Schwarzkaue ist noch über und über mit Kauekörben behangen. So schön!


In der Schwarzkaue steht die Zeit wortwörtlich still. Der Anblick heute kündet von der Maloche der vergangenen Jahrzehnte, von den Anstrengungen zigtausender Bergleute, die das Ruhrgebiet einst zu seiner Blüte führten.



Weil die Zeit heute ob der vielen Programmpunkte ein bißchen drängelt, geht’s mit dem kleinen Büschen die Halde Hoheward hoch. Es geht natürlich auch zu Fuß – insbesondere von der tollen Drachenbrücke aus ist das ein schöner, empfehlenswerter Weg!


Oben auf dem Plateau angekommen, gibt es für alle einen tollen Blick auf das umgebende Ruhrgebiet und viele weitere Halden. Hier oben lässt sich’s prima Drachensteigen oder Party machen: das Sunset-Picknick etwa lockt jährlich Tausende an.
Sowohl das überdimensionale Horizontobservatorium – als Landmarke weithin sichtbar – als auch die Sonnenuhr in Form eines Obelisken sind Zielpunkte für viele weitere Haldenbesucher. Damit hat der Platz durchaus auch etwas Mythisches – nicht ohne Grund gab es hier auch schon mal ein Celtic Sundown, an das ich mich sehr gerne zurückerinnere.


Halde Hoheward ist eine Halde der mittlerweile dritten Generation – aus früheren Halden hat man hier viel gelernt. Verdichtet und terrassenweise aufgeschüttet, begrünt und touristisch erschlossen – so sehen moderne Halden aus. Wissenswert: die Halde Hoheward ist mal aus zwei nebeneinander liegenden Halden quasi zusammengewachsen. In der Mitte geht nun ein Tunnel lang, der vielleicht eines Tages mal als Fahrradweg wieder geöffnet wird.

Jetzt geht’s noch weiter zur letzten Etappe des Tages, und zwar so richtig in den Nordosten vom Ruhrgebiet: auf nach Bergkamen!
Ökologie-Station des Kreises Unna, Bergkamen-Heil (4)
Wir besuchen zum Schluß die Ökologische Station des Kreises Unna in Bergkamen-Heil. So umfangreich wie ihr Titel sind tatsächlich Betrieb und Angebot der Ökologiestation: das Haus selbst vereint mehrere Organisationen unter einem Dach und achtet besonders auf den Umgang mit Ressourcen. Es betreibt z.B. eine natürliche Wurzel-Kläranlage und heizt mit Abfall-Holzschnitzeln. Das Gelände beherbergt 100 Mastschweine nach dem Neuland-Modell, die im angeschlossenen Zerlegebetrieb für Mensen oder Fleischereien mit regionalem Fleischbezug zu Wurst und Schnitzel verarbeitet werden.
Schüler können eine Exkursion zur Ökologiestation machen und auch im Gästehaus direkt übernachten. Schwerpunkte bilden hierbei Umweltpädagokik zum Thema Wasser, Insekten oder Kartoffelernte. So können die Kids selbst Stabheuschrecken züchten, am hauseigenen Weiher Insekten fangen und mikroskopieren, den Wildbienen-Lehrpfad begehen oder den Kartoffelacker der Station nach Erdäpfeln durchsuchen und nachher in der Gruppe daraus Reibeplätzchen backen. Wow!

Am 29.10.2016, dem Tag unserer Tour, fand dort auch das 22. Apfelfest statt. Als echter Publikumsmagnet für das Umland zieht das Fest Jung und Alt an. Hier können Kürbisse geschnitzt oder regionales Kunsthandwerk begutachtet und gekauft werden. Aus Baumzapfen und Körnern werden Meisenknödel geformt, eine Seilerei lädt zum Herstellen eines Seilchens ein. Klar: Reibekuchen und Schokoäpfel gibt’s auch, es geht ja um (Erd-)Äpfel!

Highlight war für mich jedoch das pomologische Angebot im Rahmen des Apfelfestes: wusstet Ihr, dass die Nordhäuser Winterforelle eine Birnensorte ist? :D Liebevoll wurden zig Apfel-, Birnen- und Quittensorten vor dem erstaunten Publikum (das bin z.B. ich) aufgebaut. Allein der Wahnsinn, was es alles für verschiedene Äpfel gibt! Wer wollte, konnte seinen mitgebrachten Apfel von einem Pomologen bestimmen lassen.



Der Regionalverband Ruhr und die Ruhrblogger
Ihr findet auf jeden Fall noch viele weitere Infos und Ideen für Ausflüge und Touren auf der Seite vom Emscher Landschaftspark. Der Erlebnisführer im Downloadbereich etwa bietet hierbei eine ganz gute Zusammenfassung. Auch hat der Emscher Landschaftspark sogar seit einiger Zeit ein eigenes Blog, dass noch wachsen möchte und auf viele Leser hofft.
Mein Dank für diesen exklusiven Einblick in das Ruhrgebiet geht zunächst an den Regionalverband Ruhr (RVR), namentlich Sabine Auer (RVR), Rainhard de Witt (RVR/RuhrTour), Marja Wardenga (Go Between GmbH). Rainhard konnte die ganze Zeit so unglaublich viel erzählen: wer hätte gedacht, dass die heute bundesweit üblichen, schwarzgelben Schilder am Ortseingang mal hier im Ruhrpott erfunden wurden, um die rund 300 Orte auseinanderhalten zu können? Ich wünsche Euch, dass Ihr ihn mal persönlich auf einer RuhrTour erleben könnt! Sabine hatte stets Wissenswertes in petto und einen ganzen Packen Bücherschinken dabei, die sie bei Bedarf zückte. Cool! Und Marja schließlich gebührt der Dank für die ganze Organisation dieser Bloggerreise, das hat nämlich alles ganz wunderbar geklappt und war ein wunderbares Gesamtpaket. Ich wohne nun schon mehr als zehn Jahre hier und habe noch nie soviel weiteren Input und Dönnekes auf einmal wie an diesem Tag erfahren!
Am Schönsten ist aber eine Reise natürlich in Gesellschaft. Und deswegen geht ein Dankeschön gerade auch an die folgenden drei Ruhrblogger, die sich tapfer mit mir die frische Luft auf Halde Hoheward haben um die Nase pusten lassen:
- Katti hat einen Schrebergarten und ist selbst auch ne richtige Pottpflanze. Genau darüber erzählt sie unter Pottgewächs.
- Kaddi bloggt über viele Themen, und da ist natürlich auch immer mal der Ruhrpott bei. Ihr Blog trägt den Namen Kaddinator.
- Michael führt das Blog Eichental. Ihn kennt Ihr eventuell schon – legendär ist ja unsere gemeinsame Grubenfahrt.
Ihre eigene Sicht auf diesen Tag findet Ihr natürlich auch dort in den Blogs! Das ist ja immer besonders spannend für mich, welche Highlights und Eindrücke die oder der jeweils andere mitgenommen haben. Michael betitelt jedenfalls seinen Artikel “Ein Tag im Emscher Landschaftspark” – und ich hab den extra vorher nicht durchgelesen, das werde ich jetzt gleich mal machen…
Glück auf!
Update 9.11.2016: Katti hat ihren Artikel “Bloggerreise durch den Emscher Landschaftspark” nun auch online gestellt. Bei ihr gibt’s neben – ebenfalls tollen Fotos – vor allem noch ein paar mehr Infos zu Hintergründen und Angeboten an den einzelnen Locations.
Update 14.08.2017: Bisher habe ich nicht explizit auf den Artikel von Kaddi verlinkt – das soll hiermit nachgeholt werden, allein schon wegen der tollen Bilder! “Emscher Landschaftspark – des Ruhrpotts grüne Lunge” nennt sie ihren Beitrag.

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Hallo Danny,
einen ganz tollen Bericht über eine sehr interessante Tour präsentierst Du uns hier.
Besonders gefallen mir die Aufnahmen, die noch während des Nebels gemacht wurden. Ein Nebel am morgen ersetzt locker jeden noch so schönen Sonnenstrahl ;-)
Toller Text, sehr stimmungsvolle Aufnahmen, Top!
Grüße aus Unna,
Andreas
Vielen Dank, lieber UNsel und Glück auf nach Unna!
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Hey Danny, ein sehr schöner Blogbeitrag mit ebenfalls vielen tollen Bildern. Auch die Äpfelstory finde ich sehr interessant :) Viele Grüße Thomas
Vielen Dank für das Lob, Thomas!
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